Fleischer Fritze liebt es lecker, stressfrei, überschaubar

Fleischdelikatessen aus Kalübbe

 

Durch Felder mit Roggen, Gerste, Weizen oder Raps, vorbei an Kuhweiden und Pferdekoppeln gelangt man nach Kalübbe, das kleine Dorf dreißig Kilometer vor Plön, wo ein Fleischerfachgeschäft feinste Sachen auf den Teller bringt. Innereien sind zwar schwer aus der Mode. Fritze ist trotzdem die „Fleischerei mit Herz“.

Eine Schlachterei auf dem Land. Klein aber fein. Das heißt, so klein nun auch wieder nicht. Familie Fritze bietet ihre exquisiten Fleischwaren seit langem in zwei Läden an. Einer in Kalübbe, wo auch die Tiere geschlachtet und verarbeitet werden. Ein zweiter, um einiges größer, am schönen Plöner See im Nachbarort Ascheberg.

Jürgen Fritze und seine Frau Christa führen den Betrieb in der dritten Generation. Die Meisterbriefe von Vater und Großvater hängen schön hinter Glas gerahmt im kalübber Laden. Ein vierter Rahmen kam vor acht Jahren hinzu. Sohn Christopher, inzwischen 27, übertraf den Vater, der seinen Meister ungewöhnlich jung mit 23 machte, um noch einmal vier Jahre: Er war Meister mit 19. Die Zukunft in der Fleischerei Fritze hat seitdem einen Namen.

Im Sommer radle ich mitunter zwölf Kilometer vom Wochenendhaus durch blühende Rapsfelder, Gerstenstoppelflächen, Kuh- und Pferdeweiden bis in das kleine Dorf, dreißig Kilometer vor Plön, nur um fürs Mittagessen mal eben drei oder vier Schweinsbratwürstchen zu kaufen. Hinter sauber geputztem Bogenglas liegen sie in der Theke, umgeben von allen Köstlichkeiten, mit denen so ein Fleischerfachgeschäft das Herz seiner Kundinnen und Kunden erfreut. Filets und Entrecotes, Steaks, Schnitzel und Grillgut, Würste aller Art von Schwein bis Rind, Schinken, Sauerfleisch, unmöglich alles aufzuzählen. Vieles hängt noch unangeschnitten am Haken an der gekachelten Rückwand oder steht seitlich auf hölzernen Borden in Gläsern eingemacht. Weil Jürgen Fritze begeisterter Jäger ist, finden sich dort auch Wildschweinpasteten, Rehragout, verschiedene Sülzen von Tieren aus der freien Wildbahn.

Der Chef persönlich empfängt mich. Weißer Kittel, weißes Käppi, unter der Nase ein Schnauzer. Jürgen Fritze ist auf entspannende Art freundlich. Wie alle hier verkörpert er im Wortsinn Fritzes Werbespruch: „Schlachterei mit Herz“. Die großen, hellen Arbeitsräume, durch die er mich führt, hat er dem kleinen kalübber Ladenhaus, in dem seine Familie seit über hundert Jahren residiert und früher auch wohnte, erst während der Jahrtausendwende hinzugefügt.

Er schüttet Knochen in eine riesige, viereckige Schmorpfanne. Die Großküche ist modern eingerichtet. Neben der Fleischveredelung kocht Fritze hier ganze Mahlzeiten für Familienfeste, Hochzeiten, Partys. Besonders beliebt die knusprigen Spanferkel. Am Wochenende wird ausgeliefert. Freizeit? Schwieriges Thema. Es zischt und dampft. „Die Restaurants in der Umgebung wollen einfach keine Knochen“, klagt der Fleischermeister. „Keine Ahnung, wie die ihre Saucen machen“. Nett gesagt, Jürgen Fritze weiß, was sich gehört. Der Begriff „gekörnte Brühe“ kommt ihm nicht über die Lippen. Er jedenfalls macht seine Saucen auf Basis der Fonds, die er aus seiner Knochenbrühe reduziert. Oft schon haben seine Frau und er, wenn sie benutzte Gläser, Geschirr und Töpfe zurückholten, rauschenden Beifall bekommen von glücklichen Essern.

 

Es macht Sinn, die armdicken Metallrohre an der Decke der großen Halle neben der Küche „Rohrbahn“ zu nennen. Denn an ihnen hängt an fahrbaren Haken das, was nach dem „Freischlachten“ von Vorder- und Hinterläufen, nach Enthäuten (außer Schweine), Ausweiden und der Länge nach halbieren übrig ist vom getöteten Tier. „Die Rinderhälften, die wir oben auf der Rohrbahn durch die Gegend schieben wie Eisenbahnwagen auf Gleisen, wiegen um die 200 Kilo“, erläutert Christopher. Die untere Rohrbahn, etwas schlanker, ist für Schafe mit etwa 20 und Schweine mit 50 Kilo gerade richtig.

Bevor sie aus dem Leben scheiden, stehen die Schweine bei Fritzes noch eine Weile auf Stroh. Der einfühlsame Umgang zahlt sich aus: der Fleischgeschmack stressfreier Tiere ist – in der Wurst so gut wie in Steaks und Braten – eine andere Welt. Gesund ist artgerecht produziertes Fleisch ohnehin. Beim Schlachten allerdings spielt es keine Rolle, dass die Metzgerei Fritze ein biozertifizierter Betrieb ist. Denn wenn Jürgen Fritze Bio-Tiere geliefert bekommt, schlachtet er sie wie alle anderen. Verarbeitet werden sie allerdings biologisch. Statt Nitritpökelsalz nimmt er dann Meersalz. Alle Gewürze für die Bio-Wurst kommen aus kontrolliert biologischem Anbau. Für Fritze auch wichtig: der konventionelle Mastbetrieb, aus dem seine Schweine kommen, ist mit 600 Tieren eher klein und überschaubar; er liegt im Nachbarort, die Wege sind kurz.

Hinter einer der großen Edelstahltüren hängen in der Räucherkammer die Schinken. „Bei uns fängt die Spargelzeit schon im Februar an“, lacht der Schlachter. Er klopft mit abgeknicktem Zeigefinger auf die honigfarbenen Leiber. „Keine Spur puffig“, keine Luft drin wie in einem Schwamm. „Die müssen ständig umgehängt werden, damit sie gleichmäßig räuchern, anderthalb Monate“. Davor liegen sie acht Wochen in Wacholder, Pfeffer, in mit Koriander gewürztem Salz. „Brennen müssen sie“, sagt er begeistert. Wir schimpfen gemeinsam auf Zivilisationskrankheiten wie Lightkultur und Fettverteufelung. „Der fetteste Landschinken ist der beste“, ist er sich sicher. „Fett ist Geschmacksträger!“ weiß auch ich. „Fett nimmt die Salzspitze weg“, ergänzt er. Wir sind ganz außer Atem vor lauter Bescheidwissen und Rechthaben.

 

Als ich gehe, habe ich drei schöne Rindsrouladen in der Tüte, dazu den geräucherten Speck, für den Fritze berühmt ist. „Unsere Auswahl ist riesig“, strahlt er. „Aber im Schnitt hat jeder Kunde genau drei Lieblingsartikel, für die er immer wiederkommt.“ Mag sein. Vielleicht haben manche ja auch nur zwei oder einen Lieblingsartikel. Bei mir ist die Zahl zweistellig.