Pêche de Plön

Marcel Proust war nie am Lac du Pleune

 

In einer Gegend, wo „Moin moin“ schon Gelaber ist, wo man die Kunst des epischen Schweigens beherrscht wie nirgends sonst auf der Welt, scheint es besonders angezeigt, den Weltmeister des halbseitenlang eleganten, syntaktisch perfekten und prallvoll erzählenden Satzes, den Franzosen Marcel Proust in Verbindung zu bringen mit den agrarischen Köstlichkeiten des Landes zwischen den Meeren.

Denn zu der ständigen Grundlage von Eiern, Koteletts, Kartoffeln, Eingemachtem, Biskuits, die sie uns gar nicht mehr ankündigte, fügte Francoise je nach dem Stande der Felder und Obstgärten, dem Ertrag der Fischerei und den Zufällen des Handelslebens, dem Entgegenkommen der Nachbarn und ihren eigenen Eingebungen – und zwar so glücklich, dass unser Speisezettel wie die Vierblattornamente, die man im dreizehnten Jahrhundert über den Kirchenportalen anbrachte, immer einigermaßen dem Rhythmus der Jahreszeiten und den Episoden unseres Lebens entsprach – jeweils etwas hinzu: eine Barbe, weil die Händlerin ihr garantiert hatte, dass sie ganz frisch sei, einen Truthahn, weil sie einen schönen auf dem Markt von Roussainville-le-Pin gesehen hatte, Artischocken mit Mark, weil sie sie uns noch nie auf diese Art zubereitet hatte, eine Hammelkeule, weil der Aufenthalt in der frischen Luft tüchtig hungrig macht und weil man bis sieben Uhr gut schon wieder einen leeren Magen haben konnte, Spinat zur Abwechslung, Stachelbeeren, weil sie in vierzehn Tagen zuende sein würden, Himbeeren, die Monsieur Swann eigens für uns gebracht hatte, Kirschen, weil sie die ersten waren, die der Kirschbaum im Garten nach einer Pause von zwei Jahren wieder trug, Rahmkäse, den ich doch früher immer so gern gegessen hatte, einen Mandelkuchen, weil sie ihn am Abend zuvor bestellt, eine Brioche, weil es für uns der angemessene Zeitpunkt war, sie von uns aus zum Mahle beiszusteuern. Und nach alledem wurde uns auch noch, eigens für uns hergestellt, aber noch spezieller meinem Vater zugedacht, der sie besonders liebte, der Inspiration von Francoise entsprungen, von ihr als persönliche Aufmerksamkeit dargebracht, eine Schokoladencreme gereicht, flüchtig und leicht wie eine Gelegenheitsdichtung, auf die sie aber gleichwohl ihr gesamtes Können verwendet hatte.

Aber es war lange her (besonders von dem Zeitpunkt an, da in Combray die schönen Frühjahrstage anbrachen), dass die stolze Mittagsstunde vom Hilarius-Turm herab, dem sie ein Wappen aus den zwölf vergänglichen Zacken ihrer tönenden Krone verlieh, über unserem Tisch verklungen war, über dem geweihten Brot, das uns alter Gewohnheit gemäß beim Verlassen der Kirche gereicht wurde, wenn wir immer noch vor den Tellern mit den Bildern aus Tausendundeiner Nacht saßen, beschwert von Hitze und dem guten Mahl.

Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, In Swans Welt